Vom Füllen der Leere - Yang-Leere mit der Feuerschule und Chinesischer Phytotherapie behandeln

Von Gunter Neeb (Autor/in)., (Lektor/in)., Gabriela Messerli (Lektor/in). | 560 Seiten | Erschienen: 26. 09. 2023 | ISBN: 9783901618833 | 1.Auflage

Yang - vom Füllen der Leere
 Der Mangel an Wärme ist das grundlegende Übel unserer Zeit und spiegelt sich im zwischenmenschlichen Bereich - ebenso wie in der modernen Medizin - wider, wo zum Beispiel katabole, zytostatische oder antibiotische Therapien eine grundlegende Wärmehemmung im Körper fördern.

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Aber auch Klimaanlagen, gekühlte Speisen und Getränke und das Verbringen von immer mehr Zeit in geschlossen Räumen, haben unser Leben in den letzten 50 Jahren kälter gemacht.
Doch Leben ist Wärme, ob durch Sonnenlicht oder warme Nahrung oder menschliche Wärme. Durch Kälte entstehen daher immer mehr Erkrankungen, die mit konventioneller Therapie nicht zu behandeln sind. Die Chinesische Medizin, insbesondere die Feuerschule (Huo Shen Pai) bietet hier die bislang einzige jahrhundertelang bewährte Lösung zu diesem Problem, das Lebensfeuer im Nieren-Yang zu retten, und insbesondere schwierige Rezidive und therapieresistente Erkrankungen erfolgreich zu behandeln.
Gunter Neeb zeigt wie es geht - mit den Erfahrungen der Alten und den Erkenntnissen der Modernen, in Theorie und Praxis.

Vorwort des Autors
Warum überhaupt Feuerschule ? 
Oder:
Was sich nach 35 Jahren Chinesischer Medizin für mich verändert hat
Nachdem ich nun selbst alle fünf Wandlungsphasen der alten Chinesischen Zeitrechnung in allen 12 Jahren, dem hierzulande als Tierkreiszeichen bekannten Zwölferzyklus beendet habe, mein graues Haar endlich weiß geworden ist, habe ich zum Glück das Alter erreicht, in welchem ich mir einen Bart wachsen lassen darf.
Auch die Chinesische Medizin ist mir in den 35 Jahren seit meiner ersten Begegnung sehr vertraut, so daß ich nun meinen chinesischen Spitznamen „Lao Nei“ nun auch zu recht tragen darf.
 
Seit fast 10 Jahren habe ich kein Buch mehr geschrieben und auch meine Aufsätze und Vorlesungen habe ich für mehr Zeit in der Familie aufgegeben. Dennoch werde ich immer wieder nach diesem Buch gefragt, und gedrängt, es doch endlich zu schreiben. Da die Feuerschule insbesondere für die Behandlung schwieriger Fälle geeignet ist, ist der potentielle Leser dieses Buches in seinem Wissen entweder bereits fortgeschritten oder ein sehr interessierter Anfänger. Dennoch wird man im Studium der chinesischen Medizin irgendwann an den Punkt kommen, wo dieses zusätzliche Wissen weiterhilft.
Ein Wort der Warnung: Die Ärzte der Feuerschule, deren Bücher und Aufsätze von mir hier zum ersten Mal übersetzt wurden, haben sich ausführlich mit den philosophischen Grundlagen der Medizin Chinas beschäftigt. Dazu gehören das Shang Han Lun und Jin Gui Yao Lüe ebenso wie das Yijing, das Buch der Wandlungen und daoistischen Autoren des ersten Jahrtausends wie Tao Hong-Jing. Man muß das nicht zwangläufig kennen, um einen kranken Menschen zu behandeln, aber es ist spannend zu lesen, wie gut uralte Erfahrungen mit modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen zusammen passen.
 
Ich habe daher meine Übersetzungen aus dem Chinesischen, meine Skripte und Aufsätze zu diesem Thema zusammengefasst und erweitert.
Dem einen wird daher einiges bekannt vorkommen und hoffentlich als Erinnerung aufgefrischt werden, dem anderen hoffentlich vieles neu und umso mehr eine Bereicherung sein.
Ich hoffe daher, daß sowohl Erinnerungen als auch Bereicherungen zur Freude am Lesen. Zum Einstieg daher mein 2010 in Australien veröffentlichter Aufsatz über meine Erfahrung von 30 Jahren.
 
Wandel
Jian Shan Shi Shan (Man sieht einen Berg – und es ist ein Berg)
Jian Shan Bu Shi Shan (Man sieht einen Berg – und es ist kein Berg)
Jian Shan You Shi Shan ( Man sieht einen Berg – und es ist wieder ein Berg)
altes Sprichwort aus dem Chan-Buddhismus
 
Der Berg
Als vor einigen Jahrhunderten die Reisenden aus dem Westen die Kunde vom Reich der Mitte mitbrachten, regte es die Fantasie der Künstler und Gelehrten an und es entstanden Malerei und Porzellanbilder mit dem China, wie man es sich damals vorstellte: Chinesen alle mit mandelförmigen Augen, Zopf und flachem, runden Bauernhut, Drachen die durch die Lüfte segelten, Schriftrollen mit unverständlichen Krakeln, und viel Bambus. Diese, der Wahrheit nur entfernt entsprechende Menagerie nannte man später Chinoisie, von China und Phantasie.
 
Als ich zum ersten Mal die Philosophen Lao-Zi und Zhuang-Zi las, muß ich wohl 16 gewesen sein. Erst die Übersetzung von Wilhelm in deutsch, dann von Blofeld in Englisch und schließlich von Granet in Französisch. Je mehr ich laß, desto mehr Abweichungen entdeckte ich und als typischer Westler dachte ich, es könne ja nur eine Version die Richtige sein. Es sollte noch 20 Jahre dauern, bis ich sie im Original lesen konnte und erfuhr, daß sie – Pluralistisch wie die Chinesen selbst – alle nicht falsch waren, ebenso wie meine Idee davon.
Mit ähnlichen, vielleicht etwas naiven Vorstellungen ging ich 1988 nach Taiwan, hatte inzwischen Übersetzungen des Huang Di Nei Jing 1 und verschiedene Versionen des „Buches der Wandlungen” (Yi-Jing) gelesen, und in und nach meinem Studium etwas Akupunktur gelernt, ja sogar von Porkerts „Klinischer Chinesischer Pharmakologie” 1978 angeregt, selbst eine Feldstudie über die Erhältlichkeit von Chinesischen Arzneien und deren eventuellen Austauschbarkeit mit westlichen Pflanzen gemacht.
 
So kam ich in Taiwan an und ich sah den Berg. Wie erwartet war es ein Berg. Taiwan hatte noch viel von der alten Tradition bewahrt, die für mich die Chinesische Kultur und deren Medizin auf dem Papier ausgemacht hatte. Ich lernte Teezermonien, Qi-Gong bei meinem taoistischen Meister, zu dessen Schüler ich wie vor Jahrhunderten mit Kotau (Ke-Tou) und Räucherstäbchen um Einweihung bat, lernte Akupunkur bei einem gedudigen Lehrer, studierte an der Uni alte chinesische Sprache und Literatur einschließlich des Dao-De-Jing des alten Lao-Zi. Ich sah noch Zeremonien einer Triade für den Gott der Unterwelt, lernte Gelehrte kennen mit langem Bart und Chang-Pao kennen, die sich zum Go-Brettspiel (eingentlich Wei-Qi) trafen und trotz der Umweltverschmutzung und Raufereien im Parlament, trotz Kaffeshops und Hi-Tec lernte ich ein China kennen, das meinem Bild zuvor zu entsprechen schien. Die Mehrheit der Jungen interessierten die Kungfu-Movies zwar mehr, aber es gab noch viele alte Meister, die Wu-Shu Techniken wirklich beherrschten und lehrten.
 
Ein Höhepunkt war ein langes Gespräch mit dem Nestor der Chinesischen Medizin in Taiwan, Chen Li-Fu, der noch mit Chiang Kai-Shek (Jiang Jie-shi) aus dem Festland herübergekommen war und dafür gesorgt hatte, das die traditionelle Medizin trotz des westlich-orientierten Kurses der Regierung nicht ganz unterging indem er das China Medical College of Chinese Medicine in Taizhong und die Yi-Jing Research Society in Taibei gründete und förderte.
Meine Wichtigste Frage an ihn war, von welcher Seite ich das Studium der chinesischen Medizin am Besten angehen sollte, und er riet mir in der ganz frühen Philosophie anzufangen: Mit dem Yi-Jing und dem Nei-Jing und dem Shang Han Lun.
Ich begann also eifrig und war bald wieder etwas entmutigt, entzog sich mir in der Praxis die Anwendbarkeit der philosophischen Bücher in ihrer Mehrdeutigkeit. Alles konnte so rum, aber auch wieder ganz anders ausgelegt werden. Mir fehlte frustrierenderweise die Erfahrung, nämlich zu wissen wann ich welche Interpretation zu verwenden hatte. Akupunktur und Qi-Gong funktionierten auch ohne die philosophischen Hintergründe ganz gut, aber die Tiefen der Arzneimitteltherapie, die in Taiwan größtenteils nach dem 6-Schichten-Modell des Shang Han gemacht wurden, entzogen sich mir.
 
Der Nicht-Berg
Im Jahre 1994 begann ich schließlich das regelrechte Universitätsstudium auf dem Festland und war ganz froh, plötzlich alles geordnet und logisch, für den akademischen Anspruch aufbereitet vorzufinden. Die Pharmakologie der Arzneien erklärte einiges, wenn auch nicht alles, die Experimente und Forschungen an Mensch und Tier, an denen ich selber Teil hatte, überzeugten mich, das es nichts Mystisches an den Arzneien gab, was nicht auch wissenschaftlich erforscht
werden könnte. Ich mußte zwar im Studium auch die vier Klassiker (Nei Jing, Shang Han, Jin Gui und Wen Bing) lernen, aber erfuhr in der Praxis, daß die meisten Ärzte, umso weniger auf die alten Bücher gaben, je jünger sie waren. Der Frust mit den praktischen Interpretationsmöglichkeiten der alten Texte wurde durch die moderne Wissenschaft befreidigend ersetzt. Und auf einmal...
war kein Berg (von alten, mysteriösen Büchern) mehr da.
 
Ich begann die letzten Mysterien zu entmystifizieren und entwickelte erfolgreich eine logisch-wissenschaftliche Weise, die Pulsdiagnose zu interpretieren, schrieb die ersten pharmakologischen Wirkweisen der Arzneimittel in deutscher Sprache nieder, und Schnitt mit dem Schwert (vielleicht dem Occamschen) durch den Wust an Philosophie und Aberglaube. Doch mein Skeptizismus wurde immer mal wieder zurückgeworfen, wenn ich dachte, diese „Arznei” kann doch nun wirklich keine nachweisbare Wirkung haben: Verbranntes Menschenhaar, Kinder-Urin, Flughörnchenkot und was nicht alles so beschrieben wurde in den alten Büchern. Doch zu meiner Überraschung ergaben die pharmakologisch-technischen Untersuchungen immer wieder positive Wirkungsnachweise und lieferten ein Erklärungsmodell für den Einsatz dieser seltsamen Ingredienzien.
Schulterzuckend mußte ich gestehen, daß die Alten doch ganz schön oft wußten was sie taten. Aber es funktionerte auch ohne sie ganz gut. Je weiter ich die akademischen Weihen bestürmte, desto wissenschaftlicher, desto westlicher wurde mein Studium. Ich arbeitete als Arzt im Forschungszentrum, hatte eigene Patienten und Studenten und als ich schließlich abschloß und began in eigener Praxis zu therapieren, war ich ganz zufrieden mit dem Wissen, das auch in der Praxis ganz gut funktionierte.
Meist arbeitete ich nach dem Zang-Fu Modell, nach Qi und Xue, differenzierte nach Yin-Yang, voll-leer, heiß-kalt, BIAO und Li. Und es funktionierte ganz gut.
 
In vielleicht 20% der Patienten aber, gab es Probleme: entweder sie waren zu schwach und die Arznei bekam ihnen nicht, oder die Krankheit war zu stark und sie reagierten nicht oder nur träge auf meine Rezepturen. Und dann gab es noch die bereits Gesundeten, die nach ein paar Jahren mit Rezidiven wiederkamen: auch hier sprach der Körper schlecht auf die erneute Behandlung an. Gab es hier ein gemeinsames Muster? Mein innerer „Inspektor Weißkittel” versuchte vergebens, ein kleinstes gemeinsames Vielfaches zu erkennen, aber – vergeblich.
Nun ja, meine Ergebnisse konnten sich schon sehen lassen, PAVK III-Patienten, die dank Blutstasetherapie wieder Bergtouren machten, Kinder und Erwachsene mit vollständiger Asthma-Rekonvalezens, Hypertoniebehandlung mit Restitutio, Gynäkologie, Dermatologie und sogar Krebstherapie, alles ganz ansehlich, oder?
Aber war da vielleicht noch etwas?
 
Ja, da waren noch die von allen älteren Lehrern empfohlenen Klassiker, manche nur 200, manche 2000 Jahre alt. Wenn es hier um Krankheitsbeschreibungen und Fälle ging, stutzte ich regelmäßig wie gut die Erfolge der Alten waren. Einige Verschreibungen und alles war in Butter? Entweder schrieben sie ausschließlich ihre Erfolge auf, übertrieben mächtig, etwas war anders mit ihren Patienten oder ... sie wußten etwas, das ich nicht wußte.
Ich verschob die offene Frage auf später und machte weiter wie bisher.
 
Dann stieß ich durch einen Zufall auf ein Buch in Yunnan, wo ich vor vielen Jahren einmal famuliert hatte. Alle Ärzte brachten mir damals einiges bei, Dr. Su Lian über Hepatitis, Dr. Wang über Magenerkrankungen und so weiter. Einer aber zeigte mir nur seine Erfolge an Patienten, doch als ich seine Rezepturen aufschreiben wollte, wurde es obskur: Er chiffrierte seine Anweisungen wie „WenLi-Rezept 12, plus x minus y” und die Studenten ließen mich nicht abschreiben. „Typisch Familientraditionsarzt”, dachte ich, „immer die Geheimniskrämerei mit ihren Rezepturen.” Es war der Sohn einer der 4 berühmtesten Ärzte Yunnans, der Sohn von Wu Pei-Heng.
Dieser war bei allen Leuten als Dr. Fuzi bekannt gewesen, weil er so hohe Dosen Akonit verschrieb. Nun hatte ich eben dort also ein Buch gefunden mit Namen „Ein Streifzug durch die
Feuerschulentherapie”. Zunächst hatte es meine Frau gelesen und war begeistert. Da sie die gleiche Ausbildung hat wie ich, und zudem noch taiwanesische Chinesin ist, hatte sie es schneller durch als ich und kam jeden Tag, um mir andere Stellen aus dem Buch zu zeigen, die sich schlichtweg unglaublich anhörten. Ich hatte sie selten so aufgeregt gesehen und beschwichtigte immer: „Papier ist geduldig” Sie antwortete „aber es sind Fälle von 20 verschiedenen Ärzten der Feuerschule, die nicht alle übertreiben sein können” und ich schaute es mir schließlich auch an.
 
Ich war verblüfft: Yang wiederherstellen um Yin zu nähren, Inneres wärmen statt kalte Arzneien um Fieber zu senken, Rezepturen mit nur 3 Arzneien für 30 Indikationen, Erstverschlimmerungen durch Yin-Feuer und immer wieder hohe Dosen Fu Zi, Rou Gui, Gan Jiang, Ma Huang, Xi Xin. Es stellte alles auf den Kopf was ich bisher gelernt hatte. Und doch: Die Erklärungsmodelle waren schlüssig, die Differenzierung fast simpel und Wirkungen in der Praxis unglaublich.
 
Es gab nur eine Möglichkeit, diese Ideen zu testen oder zu wiederlegen: In der Praxis!
Und während ich meine Patienten weiterhin orthodox behandelte nahmen wir zuhause Si Ni Tang und Fu Zi in immer weiter steigender Dosis ein: Mein alter Zahnschmerz kam wieder. Typisch für Yin-Feuer sagt die Feuerschule: Mehr Fu Zi und Rou Gui und die Entzündung geht weg. Ich nahm also mehr Fu Zi und Rou Gui und die Entzündung ging weg. Um mich herum begannen die Infektwellen, doch wir blieben alle verschont.
 
Und dann kamen die ersten Patienten mit Ergebnissen zurück, die nach vorsichtiger Anwendung der Feuerschule gemischt mit konventioneller TCM behandelt wurden. Es ermutigte mich schließlich, höher zu dosieren.
Ich selbst war inzwischen bei 90g Fu Zi als Rohdroge und hatte verschiedene Wirkungen und Nebenwirkungen an mir ausprobiert. Meine Schwiegereltern waren längst bei 180g pro Fu Zi Tag und spürten kaum etwas. Ebenso mein Vater mit 60g Wu Tou. Klar, sagt die Feuerschule, sie sind älter, ihr Yang ist schwächer.
 
Und dann: Der zweite Schwung Patienten mit reinen Feuerschulen-Rezepturen behandelt. Ich saß Tag für Tag hinter dem Schreibtisch und hörte von Wundern: Nach 5 Jahren Gehörverlust wieder komplette Rekonvaleszens. Makulardegeneration von 10% Sehkraft auf 45% mit angewachsener Netzhaut. Ein Mann steht nach 8 Jahren Hemiplegie aus dem Rollstuhl auf und übt täglich mit dem Rollator. Eine wegen Infertilität kommende Frau wird nach nur 4 wochen schwanger, und, und, und...
 
Und wieder: Der Berg
Ich hatte ein Märchenbuch in die Hand bekommen und die Elfen und Salamander darin waren herausgesprungen und lebten – nun als Haustiere in meiner Praxis. Die Erfolge waren ebenso unglaublich wie in den Fällen, die in dem Buch beschrieben wurden. Doch die täglichen Erfolge waren überzeugender als alles Gedruckte.
Da begann ich mir mehr Literatur über die Feuerschule zu lesen. Mein Schwager war in China und schickte sie mir. Er schrieb, das die Feuerschule seit kurzem auch in China und Taiwan extrem populär geworden seie – besonders unter den jungen Studenten.
Ich bekam endlich meine Bücher von Zheng Qin-An, Wu Pei-Heng und anderen Feuerschule-Ärzten. Ich wollte schließlich wissen, warum es so gut funktionierte: Die Antworten hierzu aber standen in keinem Pharmakologiewerk, sie standen in – erraten – dem Buch der Wandlungen, dem Huang Di Nei Jing und dem Shang Han Lun!
 
Und jetzt, nach all den Jahren Praxis und Erfahrung verstand ich die Texte in den richtigen Bezug zu setzen. Und ebenso wurde mir klar, warum die Feuerschule überall so populär wird: Sie entstand in einer Zeit, als aufgrund der Euphorie über die erfolgreiche Seuchenbekämpfung mit kalten Wen Bing-Arzneien immer mehr Kälte gefördert wurde.
Deren thermisches Equivalent aber sind die meist kühlenden Antibiotika, die auch im mordernen China bei 50-60% aller Erkältungen z.T. wahllos gegeben werden. Was bedeutet dies ? Wärmeerzeugende Prozesse im Darm durch die aktive Darmflora werden vermindert; die Patienten leiden dann oft unter Inkretionsschwäche, Enzymmangel oder einfach Dysbiose und produzieren weiche, teils unverdaute Stühle, was nach der Chinesischen Medizin als iatrogene Kälte oder Milz-Yang-Leere der Verdauungsorgane interpretiert wird.
Doch das ist noch nicht alles:
 
  • Vor aber kurzem hatte ich einen Patienten, dessen Temperatur wegen einer Entzündung im Krankenhaus ständig gemessen wurde. Mit Erleichterung stellte man fest, das seine Temperatur sich keineswegs dem Fieber näherte, also fiebersenkende Arzneien nicht verordnet werden mußten. Denn seine Körpertemperatur lag mit 34-35 Grad Celsius auch nicht im physiologischen Bereich, dies aber wurde Schulterzuckend als harmlos abgetan. Es gäbe ja auch keine Arznei, die seine Temperatur heben könne.
  • Helfen Antibiotika aber nicht weil kein Antibiogramm erstellt wurde, oder gar gegen Virusinfekte verwendet, oder ist bereits eine Immunerkrankung vorhanden, dann kommen meist Cortikoide zum Einsatz. Deren katabole Wirkung im Körper ist ja ursprünglich ein Relikt aus der Zeit, wo der Körper bei Gefahr Reserven (z.B. Blutzuckermobiliserung für die Muskeln) freimachen mußte, wird aber daher nicht über lange Zeit produziert.
Extern zugeführtes Cortison stört daher die Funktion der empfindlichen hypophysär-andrenocortikalen Achse, die schließlich für die NNR eine Atropie fördert, aber auch Abbau des Knochengewebes und anderer Gewebe fördert.
  • Ganz extrem ist es im Bereich der Onkologischen Chemotherapie, denn die dort verabreichten Mitosegifte hemmen ja gerade die Zellteilung und das daraus resultiernde Oxidationswärme. Abgesehen von der häufig anzutreffenden Kachexie, friert der Patient zusätzlich duch die Zellgifte. In der Statistik des Chinesischen Arztes Sun Geng-Chan1 von 1000 seiner Krebspatienten fanden sich über 80% Patienten, die nach der TCM ein Kältesyndrom aufwiesen.
Warum das historisch so ist, wurde bereits angesprochen. Tendenz ist auch hier, katabole Prozesse zu begünstigen und Wärme zu mindern aber andererseits Kälte nicht als Übel anzusehen.
Doch nicht nur der Trend in der Schulmedizin läßt das Yang, die Lebenswärme schwinden, auch in der modernen Gesellschaft wird es kälter in uns und um uns:
 
  1. Durch immer weniger Zeit, muß die Nahrungsaufnahme immer schneller werden. So ist es häufig üblich, Brotzeiten, kalte Fertigkost oder in der Mikrowelle dürftig Aufgewärmtes zu sich zu nehmen, oder gar gekühltes aus dem Kühlschrank zu essen. Der Körper muß mit seiner eigenen Wärme diese Nahrung auf 37 Grad erhitzen, statt das warme Mahlzeiten thermische Kalorien zuführen und verliert damit physikalisch von der Wärmeeinheit Kalorien. Gekühlte Getränke, Eiscreme und andere unter der Raumtemperatur liegende Nahrungsmittel gehören auch hierzu.
Ferner ist es bei Frauen das Idealbild, möglichst schlank zu sein und darum „kalorienbewußte”, „kalorienarme” „light”-Kost wie Salate und Rohkost oder gar für Nicht-Wiederkäuer unverdaubare Kost wie rohe Getreidekörner (Müsli etc.), zu sich zu nehmen.
Interessant ist, das die größte epidemiologische Studie über Ernährung und Erkrankung diese „Angst vor Kalorien” gar nicht bestätigt, sondern zeigt, das nicht die Kalorienmenge, sondern die Art der Nahrungsmittel eine weit größere Rolle für die Gewichtszunahmen spielt.2 Dies sind nur schwache, aber dauerhafte Einfüsse.
  • In einer gerade veröffentlichten kandischen Studie, ließ man die Teilnehmer sich an ein Ereigniss sozialer Kälte wie z.B. durch Mobbing erinnern und dann die Raumtemperatur schätzen. Die Vergleichsgruppe sollte dagegen an ein Ereignis menschlicher Wärme und des Mitgefühls denken und die Temperatur schätzen. Das Ergebnis war, das auch soziale Kälte das subjektive Empfinden der Raumtemperatur um einige Grad fallen lies.
Eine andere Studie ließ die Teilnehmer potentielle Beweber beurteilen, die eine Gruppe trank dazu Eiskaffee die andere heißen Kaffee. Je wärmer das Getränk, desto positiver fielen die Bewertungen aus.
Wie „cool” ist unsere Gesellschaft eigentlich ist, und was dies für ihre Mitglieder bedeutet, wäre nun die nächste Frage. Die nächste Eiszeit, hat in uns vielleicht schon begonnen.
Für mich zumindest ist eine neue Ära angebrochen: Ich kann in der Theorie gar nicht schnell genug die alten Klassiker lesen, die Rezepturen der Feuerschule in der Praxis anwenden und aufgeregt die Idee der Feuerschulenlehre an alle weitergeben. Dieser Schatz aus der Chinesischen Medizin ist vielleicht das wertvollste, was ich in den letzten 20 Jahren gelernt habe. Für alle schwierigen Fälle, wenn die „normale TCM“ nicht ausreicht, gibt es die Feuerschule!
Wir haben im Deutschen aus dem alten Zen-Sprichwort ein anderes gemacht. Bei uns wird es übersetzt mit:
Zuerst ist ein Berg.
Dann ist kein Berg.
Dann ist.
 
Auch gut. Aber eigentlich heißt es:
Man sieht einen Berg – und es ist ein Berg
Man sieht einen Berg – und es ist kein Berg
Man sieht einen Berg – und es ist wieder ein Berg.
Für mich jedenfalls ist die Chinesische Medizin wieder ein Berg geworden. Und zwar ein schöner – und besteigbarer.

Verlag[Firma Bacopa Verlag]
ISBN9783901618833
Auflage1
Sprache(n) Deutsch
Ausführung Gebunden
Erschienen2023
Seitenzahl560
Cover Hardcover
Autor/in Gunter Neeb (Autor/in) , (Lektor/in) , Gabriela Messerli (Lektor/in)